Bläuen und Härten?
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Flaumur
Gelöschter Benutzer
Bläuen und Härten?
von Flaumur am 31.08.2013 23:46Morgen :)
Ich habe da mal 'ne Frage.
Es geht darum ein poliertes Blech, in diesem Fall C45, zu härten. Das an sich ist ja praktizierbar. Nur soll die Ausenseite des Bleches gebläut werden. Zum Bläuen muss das Werkstück ja wieder erhitzt werden, was dazu führt, dass sich das Gefüge entspannt und die Härte verloren geht. Kann man dies irgendwie umgehen? Ich habe schon mal in irgendeinem Video auf youtube einen englischen Schmied gesehen welcher das Blech mit Wasser gehärtet hat. Da es aber zu spröde ist hat er es erneut erhitzt bis die Anlassfarben auftraten und dann erneut im Wasser abgeschreckt. Führt dies zu einem ähnlichem Ergebniss als wenn ich das Blech mit Öl härte? Denn wenn ja, dann ist ja klar wie man das Ganze machen muss ^^
Gruß & Stück davon
Peter
Re: Bläuen und Härten?
von Timm am 01.09.2013 00:59Moin,
für die Anlassfarben (und Bläuen ist eben Anlassen auf Blau) sind völlig unabhängig vom Abschreckmedium mit dem du das Stück wieder kühlst.
Deine Beschreibung des Videos irritiert micht etwas. Du musst jeden Stahl nach dem Härten anlassen, egal welches Abschreckmedium du verwendest, denn sonst wäre er glashart. Wenn du in Öl härtest, musst du vor dem Bläuen eh nochmal polieren (und ggf. schleifen) um die Ölkohle und den Zunder los zuwerden (auch bei Wasserhärtung wirst du vermutlich Zunder haben. Wasserhärtung wäre für einen C45 übrigens durchaus o.k.).
Die zentrale Frage ist aber: Wofür ist das Werkstück gedacht? Was soll es leisten? Beim Anlassen auf Blau ist die Härte noch nicht vollständig flöten, du hast eher einen federharten Stahl.
Die genauen Eigenschaft nach Härtung und Anlassen sagt dir das Datenblatt des Stahls.
Gruß,
Timm
Worschdsub
Gelöschter Benutzer
Re: Bläuen und Härten?
von Worschdsub am 01.09.2013 08:17Guten Morgen!
Abschrecken nach dem Anlassen auf "blau" ist kein Problem! Der Stahl geht dabei nicht über die Umwandlungstemperatur. D.h. er wird durch das Anlassen ein wenig an Härte verlieren und dafür Zähigkeit gewinnen.
Wenn Du dein Blech anlassen willst und es vollflächig blau werden muss solltest Du auf den Heißluftbackofen in euerer Küche zurückgreifen! 250°C für 20 Minuten bis zu einer halben Stunde sollten das gewünschte Blau auf der Oberfläche sichtbar machen. Notfalls etwas länger warten...
Andere Möglichkeit: Härten, polieren, anlassen und anschließend nochmal polieren und entfetten. Dann Klever Kaltbrünierung auftragen... Von Zartblau bis fast schwarz ist fast alles hinzukriegen. Und ein gewisser Korrossionsschutz ist dadurch auch gegeben.
@Timm
Nicht alle Stähle müssen nach dem Härten angelassen werden. C45 wird bei der Hammerherstellung z.B. nicht abgeschreckt. Der Härtevorgang wird hier durch den großen Querschnitt und den dosierten Einsatz von Wasser so gesteuert das am Ende Gebrauchshärte vorhanden ist ohne anzulassen.
Und alle "modernen" Lufthärterstähle sind ebenfalls ohne anlassen auf Gebrauchshärte ausgehärtet und das direkt nach dem schmiedenund mit abkühlen an ruhender Luft. Sonst wäre eine Fertigung von Handmeiseln heutzutags unbezahlbar.
Flaumur
Gelöschter Benutzer
Re: Bläuen und Härten?
von Flaumur am 01.09.2013 11:05also der Plan ist meine Rüstung, z.Z. arbeite ich an einer deutschen Schaller und dem Bruststück, später zu bläuen um die gleichen Farben wie bei diesem Harnisch zu erhalten.
Die einzelnen Teile passen auch super in den Backofen, das bedeutet, dass ich nach dem Härten die Teile noch polieren muss und dann im Ofen anlassen kann.
Danke Worschdsub :)
Re: Bläuen und Härten?
von natto am 01.09.2013 11:15Manche Büchsen werden gebläut. Auf amerikanisch nennt sich sich das cold rust bluing. Bei richtiger Ausführung ergibt das eine beständige Bläuung. Dafür wird der Stahl abwechselnd patiniert und in destilliertem Wasser gekocht. Beim Kochen wandelt sich die Patina in das "blaue Oxid" um. Roter Rost und Dreck müssen zwischendurch mit einer sehr feinen Messingbürste abgebürstet werden.
Das Verfahren kann man gut in der Küche testen, blau wird es auch mit Hausmitteln. Den Stahl bis etwa 320-400 schleifen, danach unbedingt sauber arbeiten. Dann eine dünne, gleichmässige Patina erzeugen. Danach wird das Objekt in destilliertem Wasser gekocht. Wenn das Teil wieder trocken ist zeigt sich eine mehr oder weniger starke Bläuung. Nun kommt die sehr feine Messingbürste zum Einsatz. Die soll sehr gut funktionieren um das Objekt auf den nächsten Durchgang vorzubereiten ohne die vorhanden Bläuung zu schädigen - die technische Erklärung kriege ich nicht mehr zusammen. Nach mehreren Durchgängen, ohne die wichtige Bürste, hatte ich eine irgendwie blaue, ungleichmässige Färbung. Mehr war bei diesem lockeren Versuch auch nicht zu erwarten, ich wollte einfach ein Gefühl für das Verfahren kriegen. Danach hatte ich länger außer Haus zu tun, und die Probe ist mir verrostet.
Für mich war das eine Spielerei die um ihrer selbst Willen durchgespielt habe. Kaltes Bläuen in der Küche geht, wenn man sich die Zeit nimmt. Offen geblieben ist die Frage nach der Verschleißfestigkeit.
@Flamur
Wie beständig soll die Bläuung werden, und welche Härte wird benötigt? 1.1730 blau angelassen, dürfte unter 50HRC liegen. cold rust bluing ist hier vermutlich völlig übertrieben.
LG
Holger
edit:
Für eine Rüstung ist eine verschleißfeste Bläuung interessant, vielleicht ist cold rust bluing doch interessant?
Re: Bläuen und Härten?
von Timm am 01.09.2013 13:12Moin Worschdsub,
beim von dir beschriebenen Prozess des Härtens des C45 findet eben doch ein Anlassen statt, und zwar mit Restwärme ;)
Bei den Lufthärtern kommt es dann auf den Querschnitt des Werkstücks an. Bei einem Meißel aus 1.2328 kann das Anlassen wegelassen werden, er wird laut Datenblatt bei 55 HRC landen. Machst du eine Messerklinge daraus, wirst du ums Anlassen nicht rumkommen.
Gruß,
Timm
Flaumur
Gelöschter Benutzer
Re: Bläuen und Härten?
von Flaumur am 01.09.2013 22:27The Knight and the Blast Furnace
Diesem netten Werk nach weißt der Harnisch von Erzherzog Maximilian (Seite 374) eine durschnittliche Härte von 275 VPH auf was 26,5 HRC sein müssten. (Zumindest sagt mir dies die Tabelle auf Wikipedia)
Wenn ich jetzt ein Blick in das Datenblatt von Saarstahl zu C45 werfe, dann verrät mir dieses, dass ich bis auf max. 255 HB komme, was rund 26 HRC sind.
Angst um die Bläuung habe ich nicht, also, dass diese bei ständiger Benutzung abgerieben wird oder extrem das rosten anfängt. Auf einer Burg in meiner Nähe steht ein Prunkharnisch, zwar ein Nachbau, aber nun schon seit 30 Jahren. Dieser weißt auch eine gebläute Oberfläche auf und wird alles andere als gepflegt, was man der dicken Flugrostschicht an manchen Stellen entnehmen kann. Der blau-violett Ton sticht jedem der die Burg betritt sofort ins Auge, trotz Rost.
Daher bin ich zuversichtlich, dass die Bläuung halten müsste, bzw. mit viel Pflege einige Zeit lange mitmacht.
Re: Bläuen und Härten?
von Timm am 01.09.2013 23:47Da stimmt was nicht mit den Daten, bzw. sind es nicht die richtigen für dich, 26HRC wären ja butterweich. Im von dir gelinkten Datenblatt geht es um eine Vergütung auf Scherbarkeit, Anlasstemperatur von 550-660°C!
Klick pdf
Laut diesem Datenblatt sind Ansprungwerte deutlich oberhalb von 50HRC kein Problem, jedenfalls bei den von dir verarbeiteten Stärken.
Flaumur
Gelöschter Benutzer
Re: Bläuen und Härten?
von Flaumur am 02.09.2013 00:07ah ok, ich seh gerade, das ist zwar ein Durchschnittswert, aber es gab auch Teile am Harnisch welche nur einen geringen Kohlenstoffanteil aufwiesen und nicht gehärtet waren. Dadurch enstand der niedrige Durschnittswert. Die härtesten Stücke weißen 330 VPH auf was rund 32 HRC sein müssten... klingt immernoch weich '^^
mal gucken... weiter unten ist ein Bruststück mit Spitzenwerten von 452 VPH das sind immerhin schon einmal 46 HRC. Liegt im machbaren Bereich mit C45.
Übrigens auf Timms Datenblatt ist die Bezeichnung C45E/C45R, kann mir jmd. verraten wofür das R steht? E müsste so weit ich mich erinnere Unlegierter Edelstahl sein. Aber von R weiß ich nix :(
Re: Bläuen und Härten?
von aeglos am 02.09.2013 09:40Nein E steht für Maschinenbau (engineering) und R steht für Schienen (rail). Diese Bezeichnungen sind nach DIN EN 10027 werden aber normalerweise mit dem charakteristischen WErksotffkennwert (oft Mindeststreckgrenze in N/mm^2) genannt. Also z.B. S365 oder E295. Ein Unterschied zwischen C45E und C45R sollte eigentlich nicht bestehen, außer vielleicht im Anließerungszustand.