Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

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HACHIJURO

79, Männlich

Beiträge: 166

Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von HACHIJURO am 12.09.2021 18:09

Genau, Sascha,

Du hast mich verstanden! Vielleicht habe ich mich aber auch nicht präzise genug für Elias ausgedrückt!

Ein feines Gefüge kann bei Kohlenstoffstählen durch die Bearbeitung und die Wärmebehandlung eingestellt werden. Bei höher legierten Stählen, die harte Sonder-Carbide enthalten, ist die Matrix weniger wichtig, weil die großen Carbide bei den Schneidwerkzeugen eine Art robuster "Säge" an der Schneide bilden. Bei niedrig legierten Stählen - auch bei hohem C-Gehalt - hast Du ja nur relativ feine Eisencarbide, die eben auch eine feine, potentiell sehr scharfe Schneide ermöglichen. 

Das sorgfältige Schmieden ist bei C-Stählen das A und O, und das gilt besonders für Messerklingen. Wenn man eine Klinge nicht "an die Endform" schmiedet, verschenkt man Leistungspotential, denn das Ausschmieden einer feinen Schneide (bis herab zu 0,5 mm) sorgt durch die Zertrümmerung der größeren Moleküle mit dem Hammer für ein feines Gefüge. Durch die richtige Wärmebehandlung kann man das Gefüge erhalten und vielleicht noch verbessern. 

Ein gutes Gefüge erzielt man, indem man das Werkstück sofort beschmiedet, wenn man es aus dem Feuer nimmt; das sollte blitzschnell erfolgen. Jede Erwärmung ohne sofortige Bearbeitung fördert das Kornwachstum!  

Man sieht oft bei Anfängern, dass sie das warme Werkstück aus der Esse nehmen, es genau anschauen und die Bearbeitung überlegen, dann den Hammer suchen, und dann erst mit dem Schmieden beginnen! Da hat der Stahl viel Zeit, um Kristalle zu bilden! 

In Videos (die ja eigentlich hilfreiche Informationen vermitteln sollen) sieht man manchmal, dass Hobby-Schmiede ein Stück Stahl plattklopfen, dann mit der Flex eine Spitze zurechtschneiden, und darauf die Form der Klinge nur noch schleifen. Auch dabei wird natürlich eine Menge Potential des Stahls verschenkt! Und das kann man dann auch nicht Schmieden nennen!

Håvard Bergland, der norwegische Meisterschmied, legte immer Wert darauf, dass beim Messerschmieden auch der Verlauf der Schneide mit dem Hammer geformt wurde, um das Gefüge fein zu halten! Also auch ruhig mal (dezent) auf die Schneide kloppen und dann wieder ausschmieden!

Bei Feilen - um darauf zurückzukommen - brauchen die feineren Versionen naturgemäß ein ganz feines Gefüge, um einen entsprechenden Hieb anbringen zu können. Da muss das Weichglühen ebenso sorgfältig erfolgen wie das Härten! Der geringe Gehalt an Legierungselementen stört da nicht, und der Chromgehalt dient nicht der Erzeugung von harten Chromcarbiden, sondern in den geringen Mengen verbessert er die Kornfeinheit. Daher verwende ich für viele meiner Klingen einen C75, der zusätzlich eine geringe Menge Chrom enthält. 

Prinzipiell ist es aber richtig, dass ein hoch C-haltiger Stahl zur Grobkornbildung neigt, wenn er nicht sorgfältig bearbeitet und wärmebehandelt wird. Nichts für Anfänger, auch wegen des sehr kleinen Temperaturfensters bei der Bearbeitung!

In der Industrie wird ja zwischen 1.3505, 100Cr6 und Kugellagerstahl unterschieden, obwohl alle die gleiche Zusammensetzung haben. Neben der Reinheit bei der Herstellung ist auch die Verarbeitung ein Faktor für die homogene Stahlqualität.

Wenn man gleichbleibend gute Qualität bei seinen Schneidwerkzeugen haben möchte, sollte man die Zusammensetzung des verwendeten Stahls weitgehend kennen. Erfolgen dann alle Bearbeitungsverfahren routiniert und gleichförmig/wiederholbar, kann man auch mal ein paar Probestücke härten und zerbrechen, um das Gefüge zu untersuchen. Das ist immer der letzte Nachweis für ordentliche Produktionsqualität.

Freundliche Grüße

Jean


Antworten Zuletzt bearbeitet am 12.09.2021 18:12.

Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 14.09.2021 06:18

Hallo Sascha,

Dann habe ich Jeans Antwort eventuell falsch verstanden :) 


Gruß

Elias 

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Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 14.09.2021 06:42

Hallo Jean,

Das Ausschmieden bis zur fast Endform ist auch immer mein Ziel bei Messern etc.
Wenn ich mich nicht irre hat das auch etwas mit dem Faserverlauf im Stahl zu tun.

Was mich in naher Zukunft noch mehr beschäftigen könnte und wird wäre Kugellagerstahl, da sich mir eine mehr als reichliche Quelle ergeben hat. 
Könnte ich einfach so aus KL-Stahl eine Klinge schmieden oder müsste ich diesen zusammen mit einem C-haltigerem Stahl verbinden? 
 
Achso, erhitzt du eigentlich deine Werkstücke in Kohle oder Gas und warum? (Thema Aufkohlung des Stahl, Abbrand, Zunder, C-Gehalt Verlust) 

Danke für deine hochinteressanten und ausführlichen Antworten! 


Thüringen grüßt den Rest der Welt 

Elias 

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HACHIJURO

79, Männlich

Beiträge: 166

Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von HACHIJURO am 16.09.2021 18:46

Guten Abend, Elias!

Deine letzte Frage zuerst: Ich habe eine einfache Schmiedeesse für mineralische Schmiedekohle. Sie ist einfach zu bedienen, mein Gebläse ist ganz leise (große Leistung, durch FU mit geringer Drehzahl gut zu steuern), die Werkstücke werden schnell warm. Die Aufkohlung ist genauso wenig ein Thema für mich wie Abbrand. Beides passiert in geringem Umfang, und meist hängt es mehr davon ab, wie man das Werkstück in Feuer platziert. Wenn man die Regel befolgt 'Kohle unter und über dem Werkstück', ist das kein wirkliches Problem. Wenn man das Werkstück ganz tief in der Feuerschale hat, passiert das Gleiche, wie wenn man es oben auf die Kohle legt: Es gibt viel Abbrand/Zunder.

Randentkohlung gibt es auch immer ein wenig. Kann man schnell und gezielt schmieden und die angestrebte Form mit wenigen Hitzen erreichen, ist es halt besser. Das ist dann der Unterschied zwischen Profi und Amateur! 

Kugellagerstahl: Hast Du mal auf das Datenblatt geschaut?

STAHL 1.3505 /100Cr6

Elemente        C      Cr     Mn      Si     Mo    
ca.                1,0   1,5    0,35    0,25   0,1


Da bleiben eigentlich keine Wünsche mehr offen! Vom C-Gehalt her leicht übereutektoid, das Chrom bewirkt eine Gefügerverfeinerung, Mangan bewirkt eine bessere Einhärtung. 

Ganz sicher ist eine Kombination mit z.B. Feilenstahl nicht nötig, und mehr Ansprunghärte braucht man wirklich nicht. Aber natürlich kann man Damast auch mit Feile, Kugellager und 1.2562 machen! Viel Spaß dabei! 

Der Faserverlauf ist eine Größe, die zwar existiert, aber sie wirkt sich nur im Grenzbereich der max. Belastung aus. Mit anderen Worten: Ein sorgfältig geschmiedetes Werkstück mit angepasster Wärmebehandlung wird ein klein wenig später brechen als eines, das spanabhebend mit ansonsten gleicher Wärmebehandlung hergestellt wurde - theoretisch

Wer nimmt sein Messer schon so hart ran? Andererseits ist es vielleicht ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man dem Stahl die bestmögliche Behandlung angedeihen ließ!  

Freundliche Grüße

Jean

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Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 18.09.2021 17:16

Hallo Jean,

Danke für deine Erklärung was das Thema Kohleesse angeht. Ich schmiede selbst noch mit Propangas, will aber sobald, wie möglich wieder auf Kohle umsteigen.


Dann habe ich mich richtig erinnert, dass Kugellagerstahl ein tolles Zeug ist! :)
An Damast habe ich mich noch nicht versucht, dazu muss meine Esse noch ein wenig umgebaut werden. Steht aber definitiv noch auf der Liste! Feilen und Kugellager habe ich dann mehr als genug ;)

Verstehe. Und bei uns in der Berufsschule wurde immer so ein Wind um Faserverlauf und die Überlegenheit geschmiedeter Teile gemacht....

Ich versuche immer, das Beste, mir mögliche aus einem Stahl herauszuholen. Ganz nach dem Motto : Besser viel haben als brauchen.

Gruß 

Elias 

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