Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

1  |  2  |  »  |  Letzte [ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 10.09.2021 09:13

Grüße Freunde der Schärfe,

Ich habe einen Freund, welcher schon seit vielen Jahren den Bergbau und Mineralien als sein Hobby auserkoren hat.
Deshalb habe ich vor einigen Wochen beschlossen, ihm ein traditionelles Bergmannsmesser zu fertigen.
Der oder das Tscherper wurde von den Kumpels benutzt, um Reparaturen an Leitern oder Werkzeug vorzunehmen, Holzgebälk in der Grube zu inspizieren aber auch ihre Mahlzeit "über den Daumen" zu schneiden und zu essen. 

In den folgenden Bildern seht ihr das Resultat meines Beschlusses.

Die Klinge besteht aus einer alten Feile, in Öl gehärtet. Der Griff ist aus einer alten Eichen-Fassdaube entstanden und wurde mit Messingplättchen vorn und hinten abgeschlossen.
Der Erl ist durchgängig und wurde hinten vernietet. Kein Kleber, keine Stifte und keine Schrauben. Eben so, wie es unsere Vorfahren wohl am Ehesten angestellt hätten.
Das Ganze wurde dann geschliffen und poliert. Den Griff habe ich mit simplen Leinöl zwei, dreimal eingepinselt. 
Das Messer war, zumindest als ich es aus der Hand gegeben habe, rasierscharf. 
Die Scheide besteht aus einfachem, weichen Leder und wurde in Handarbeit genäht.

Danke für eure Zeit und lasst mich gern eure Meinung wissen. 20210624_171209.jpg20210624_171212.jpg20210624_171216.jpg20210624_171255.jpg20210624_171137.jpg

Antworten

Conni

60, Männlich

Moderator

Beiträge: 261

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Conni am 10.09.2021 11:32

Hallo Elias,

schönes Messer und einfach gehalten, eben der Grundidee angepasst. Eigentlich finde ich Feilenstahl für ein Messer als Monostahl nicht so gut, da sie einfach nur hart und daher lange schnitthaltig sind, was ja für diesen Gebrauch auch ausreichend ist, solange man nicht mit der Spitze irgendwo rein sticht und dann verkantet. Da hätte ich die Befürchtung, dass die Klingenspitze das einem übel nimmt und sich verabschiedet.

Hast du bei der Scheide an der Naht eine Zwischenlage eingelegt? Ich hoffe ja, da ansonsten die Naht an der Einengung von Klinge zum Griff auf kurz oder lang durchgeschnitten wird.

Alles in allem aber eine gute Arbeit. Weiter so !!!

Gruß Thomas

 

Antworten

HACHIJURO

79, Männlich

Beiträge: 166

Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von HACHIJURO am 10.09.2021 11:39

Elias,

als professioneller Messerschmied gebe ich Dir mal meine Rückmeldung (keine Negativ-Kritik!):

Die Materialien sind prima. Feilenstahl ist bei passender Wärmehandlung ein Top-Material, der Griff ist aus interessantem Holz und sieht gut aus, alles passt. Ich kenne die Konstruktion eines traditionellen 'Tscherpers' nicht, daher kann ich nicht sagen, ob eine sog. Schleifkerbe an der Klingenwurzel vorhanden sein sollte. Sie macht das Nachschärfen leichter.

Die Klinge scheint eine deutliche Sekundärfase zu haben. Das ist bei handwerklich gefertigten, traditionellen Messern (Mittelalter und später) eher ungewöhnlich. Meist findet man einen Planschliff auf Null, aber das mag hier durchaus anders sein.

Bei der Lederscheide sehe ich noch Verbesserungsbedarf. Die Schneide der Klinge sollte nicht in der Faltung liegen, sondern auf der Nahtseite. Dort legt man einen Keder ein, der die Naht vor der scharfen Schneide schützt.

Die Naht zieht man in möglichst harmonischen, glatten Linien mit einem Rillenschneider/ Nahtversenker vor. Das sieht dann gleich professioneller aus, ohne viele Aufwand zu verursachen. Die Lochabstände kann man mit selbstgebautem Werkzeug recht gleichmäig gestalten. Nach dem Nähen schleift man den Umriss der Scheide auf der Nahtseite gleichmäßig ab und folgt dabei der Naht in gleichbleibendem Abstand. Das ist alles keine Mehrarbeit, sieht aber netter aus. 

Zur Imprägnierung des Holzes sollte man Leinölfirnis (Baumarkt) verwenden. Leinöl braucht viele Monate, um richtig zu polymerisieren (= auszuhärten).

Im Prinzip kann man die Qualität eines Messers nur im dauerhaften Gebrauch ermitteln. Wenn es tut, was es soll, ist alles gut!

Freundliche Grüße

Jean 

Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.09.2021 11:45.

Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 10.09.2021 11:50

Hallo Thomas,

Ich muss gestehen, ich habe bisher nur gute Erfahrungen mit Feilenstahl als Monostahl gemacht. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich die Klingen relativ lange anlasse (eventuell nicht ganz soo hart, wie andere Feilen-Klingen). 

Ein anderes Jagdmesser, welches ich noch vorhabe, zu posten, habe ich einem rigorosen Test unterzogen, vor allem auf die Klingenspitze bezogen und sie hat es weggesteckt, als wäre nichts gewesen.

Die Schneide des Messers liegt bei der Scheide in der Falte des Leders, nicht auf der Nahtseite, deshalb hoffe ich, dass die Scheide halten wird und keine Nacht aufgetrennt wird.

Danke für dein Feedback!  Es werden sicherlich noch einige Beiträge folgen - ich habe noch viele Projekte geplant. 


Gruß Elias 

Antworten

Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 10.09.2021 12:14

Hallo Jean,

Erst einmal bin ich dankbar für jede Art der Rückmeldung und mit negativer Kritik habe(musste) ich schon lange gelernt, umzugehen. Ändern kann man sowieso nichts mehr ;).

Zur Messer Form : die Tscherper, die ich gesehen habe, hatten eventuell eine etwas breitere Klinge, eine Schleifkerbe oder Fehlschärfe konnte ich bei keinem erkennen.
Auch was die Klinge angeht wusste ich ehrlich gesagt nicht, was wirklich historisch akkurat war bzw. ist. 
Ich habe das Messer eben so gefertigt, wie ich es am Besten gehalten habe.


Bei der Lederscheide sehe ich selbst noch Verbesserungsbedarf. Leider habe/hatte ich noch nicht wirklich die Gelegenheit einem lederverarbeitendem Handwerker über die Schulter zu schauen und an ordentlichem Leder-Werkzeug mangelt es auch (noch).

Ich wollte eben das Messer nicht blank auf die Hand überreichen, aber eine neue, bessere Scheide nachzuschenken sollte auch kein Problem darstellen.


Bis jetzt kamen keine Beschwerden, weshalb ich davon ausgehe, dass das Messer so funzt, wie es soll. 


Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar für deine Tipps und deine Ratschläge, die werden beim nächsten Messer definitiv berücksichtigt!

Grüße aus Thüringen

Elias 

Antworten

volker53

71, Männlich

Beiträge: 737

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von volker53 am 10.09.2021 19:04

Der Erl ist durchgängig und wurde hinten vernietet. Kein Kleber,

Das finde ich schonmal gut.
Ansonsten ist es wohl für ein solides "Gebrauchsmesser" recht gut gelungen. Ob man Feilen oder Federstal für welches Messer nimmt muß man rausfinden. Für Klingen die "nur schneiden " soll geht ne Feile immer. Wenn man auch mal was gröberes und auch mal hebeln will wäre Federstahl besser.
Bei Feilen ist es allerdings so, daß nur sehr alte Feilen für Klingen gut geeignet sind, weil diese durchgängig aus gutem Stahl sind. Neuere Feilen werden einsatzgehärtet also ist nur die Oberfläche hart. Svoie dazu.
Ja Elias aber bei den Lederscheiden mußt Du wohl noch ne Weile üben.
Volker

Antworten

Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 10.09.2021 19:47

Hallo Volker,

Für ein Outdoor oder Haumesser würde ich auch einen Federstahl bevorzugen.
Das stimmt, ich mache auch bei jeder Feile, die ich verarbeiten, vorher eine Bruchprobe, um auf Nummer sicher zu gehen.

Ich bedecke mein Haupt mit Asche, mit Leder brauchts wohl noch ein paar Versuche.

Danke für deine Meinung!

Grüße aus Thüringen

Elias

Antworten

HACHIJURO

79, Männlich

Beiträge: 166

Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von HACHIJURO am 10.09.2021 22:24

Gestattet mir zum Stahl noch ein paar Anmerkungen:

Alte Feilen sind nicht per se besser, aber es gibt heute (leider) viel mehr Billig-Feilen als früher, daher muss man genau schauen, was man da vor sich hat! Feine Metallfeilen sind bei guter Qualität (die kann man für alle Markenfeilen - GEMSE, HASE, PFERD, DICK, NICHOLSON usw. annehmen) aus 1.2008 und haben sehr hohen C-Gehalt. Das macht das Temperaturfenster für die Bearbeitung kleiner, aber den Stahl nicht unbedingt härter. Da liegt die Grenze bei ungefähr HRC 66 (Ansprunghärte). Diese Härte erreicht man aber ebenso mit einem (nahezu eutektischen) C75.

Besonderer Feilenstahl kann sogar einen Wolfram-Gehalt haben (manche GROBET-Feilen und andere), was man durch die Funkenprobe herausfinden muss.

Grobe Feilen sind traditionell meist aus 1.2002 mit ca. 1,25% C - ebenfalls ein tolles Material. Durch entsprechendes Anlassen kann man auch diese Feilenstähle bis zur Federeigenschaft herunterbringen. Das Gefüge ist jedoch bei 1.2008 meist noch etwas feiner. Das gilt vergleichsweise auch für 1.3505 (Kugellagerstahl).

Es gibt zahlreiche Federstähle, also nicht nur einen! Der Silicium-Anteil erhöht die Zähigkeit, die Elastizität wird durch das Anlassen eingestellt. Der Kohlenstoffgehalt liegt bei gebräuchlichen Federstählen wie 56Si7 bei ca. 0,6 %, und das reicht für eine Ansprunghärte von deutlich über 63 HRC aus! Bei entsprechendem Anlassen ist Federstahl für robuste Gebrauchsmesser, Holzbearbeitungswerkzeuge und Gartenwerkzeug prima geeignet. 
 
Was ich damit sagen will: Die Wärmebehandlung beeinflusst bei niedrig legierten Kohlenstoffstählen die Eigenschaften des Werkstücks mehr als das Ausgangsmaterial, mal von C-Stählen mit niedrigem C-Gehalt abgesehen. Aber schon C45 ist gar nicht so schlecht!

Bei der Werkzeugherstellung also das passende Material so verabeiten, dass das Gefüge möglichst fein bleibt. Dann mit der abgestimmten Wärmebehandlung kombinieren, und man bekommt Top-Eigenschaften!

Freundliche Grüße

Jean

Antworten Zuletzt bearbeitet am 10.09.2021 22:25.

Elias_Dietz...

21, Männlich

Beiträge: 16

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von Elias_Dietzelus am 11.09.2021 08:56

Hallo Jean,

Hochinteressantes Thema, diese Werkstofftechnik.
Die theoretischen Grundlagen sind mir zwar bekannt, allerdings habe ich leider weder die Mittel, noch die Zeit vor jedem Schmiedeprojekt, den Stahl genaustens zu testen.

Auch beim Härte-und Anlassprozess stehen mir keine Messgeräte o.ä zur Verfügung, zumindest noch nicht ;)

Ich mache eine Funkenprobe und danach gehts meistens schon los, bin halt etwas ungeduldig, das ist unglaublich.

Bisher hatte ich mit den Mitteln, die mir zur Verfügung stehen immer gute Erfahrungen gemacht, abgesehen von meinen zwei missglückten "Schwertern". Wobei selbst bei diesen ein sehr schönes, gleichmäßig und relativ feines Gefüge vorhanden war.

Solange es hält, ist alles gut Hehe.
Aber später will ich definitiv mehr auf die Werkstofftechnik achten/eingehen, vor allem, wenn es an Damast o.ä geht!

Grüße aus dem schönen Thüringen

Elias 

Antworten

FaberFerrarius

-, Männlich

Beiträge: 115

Re: Tscherper - traditionelles Bergmannsmesser

von FaberFerrarius am 12.09.2021 10:37

Hallo zusammen!
Ja genau - hochinteressantes und unausweichliches Thema für Leute die gute Werkzeuge schmieden wollen.
Elias ich verstehe Deine Antwort an Jean nicht so richtig.
Er hat doch gar nicht von Dir verlangt irgend einen aufwändigen Prozess durchzuführen - das bleibt ja Dir überlassen wie Du zum Ziel kommst. Aber er hat doch in gut verständlicher Form einige theoretische aber doch sehr praxisnahe Hinweise zusammengefasst die verdeutlichen welche Rolle eine gute Wärmebehandlung spielt. Die genaue praktische Vorgehensweise hat er ja offengelassen.
Aber auch dazu gibt es Tipps wie man, ohne den Stahl exakt zu kennen, gute Ergebnisse erreichen kann. Und diese Möglichkeit hat Jean meiner Meinung nach nicht ausgeschlossen. (Ist ja bei der Verwendung alter Feilen naheliegend, dass der Stahl eben nur so ungefähr bekannt ist.)
Ich bin Jean jedenfalls dankbar dafür, dass er seine Erfahrungen mit uns teilt - danke!
Was ich aber nicht verstehe, Jean, wieso ist das Gefüge bei 1.2008 tendenziell feiner als bei 1.2002? Ich wäre davon ausgegangen, dass (bei übereutektoiden Stählen) je mehr Kohlenstoff und je mehr Chrom desto höher die Gefahr der Bildung grober Karbide, die erst wieder durch entsprechende (etwas aufwändigere) Wärmebehandlung gelöst werden können.
Das "Problem" schätzte ich bei dem Kugellagerstahl mit noch mehr Chrom (ist ja nicht wirklich viel - zählt ja noch zu den niedriglegierten Stählen) dann tendenziell noch höher ein.
Ist davon auszugehen, dass ein 1.2008 vorab sogfältiger verarbeitet wurde? Macht man das als relativ unerfahrener/unfähiger Schmied beim schmieden nicht sehr leicht kaputt? Ich denke in diese Richtung geht Dein Hinweis "...Material so verabeiten, dass das Gefüge möglichst fein bleibt."?
Gruß Sascha

Es ist besser ein kleines Schmiedefeuer anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen!

Antworten
1  |  2  |  »  |  Letzte

« zurück zum Forum